Methoden der Satellitenvermessung

Seit den 60er Jahren werden satellitengestützte Navigationssysteme zur Nutzung im militärischen Bereich aufgebaut. Das erste operable System dieser Art, das „Transit Navigation Satellite System“, konzipiert für die US-Navy, hat heute keine Bedeutung mehr. Das wohl bekannteste und bedeutsamste Satellitennavigationssystem ist das System NAVSTAR/GPS, welches primär für die US-Streitkräfte und deren NATO-Verbündete entwickelt wurde, heute aber auch in vielen zivilen Bereichen genutzt wird.

Das System besteht aus 24 NAVSTAR/GPS-Satelliten, die auf sechs verschiedenen Bahnebenen in einer Höhe von ca. 20.000 Km die Erde umkreisen. Für eine Erdumkreisung benötigen die Satelliten ca. 12 Stunden. Das System ist so aufgebaut, dass weltweit die Signale von mindestens vier Satelliten empfangen werden können und daher eine Positionierung immer möglich ist.



Aufgrund der Signalstruktur der ausgesendeten Satellitensignale und je nach Aktivität der dem System implementierten Sicherungsmaßnahmen, kann für Navigationszwecke eine Genauigkeit von 3 – 100 Meter erreicht werden. Die Sicherungsmaßnahmen dienen dazu, dem militärischen Gegner in einem Krisenfall die sinnvolle Nutzung des Systems zu verwähren. Dazu wird ein Code-Signal verschlüsselt und die Satellitenbahndaten (Ephermeriden) sowie die Zeitsignale der Satelliten künstlich verschlechtert.

 

Diese Genauigkeiten sind für den Einsatz des NAVSTAR/GPS-Systems im Vermessungswesen völlig unzureichend, werden doch bei Katastervermessungen Genauigkeiten von einem Zentimeter verlangt. Für Vermessungsaufgaben im Ingenieurbereich liegen die Genauigkeitsforderungen häufig sogar noch darunter.

Daher nutzt die Satellitenvermessung nicht die zur Navigation verwendeten Code-Signale der Satelliten, sondern wertet die Trägerphasen der ausgestrahlten Signale aus. Weiterhin werden die Satellitenträgerwellen auf mindestens zwei Beobachtungsstationen zeitgleich aufgezeichnet. Durch Differenzenbildung der zeitgleichen Beobachtungen werden Fehlereinflüsse, Störeinflüsse und die Einflüsse der Sicherungsmaßnahmen eliminiert bzw. minimiert.



Bei vermessungstechnischen GPS-Beobachtungen verbleibt mindestens ein GPS-Empfänger als sogenannte Referenzstation während der gesamten Messphase auf einem Messpunkt. Ein zweiter oder mehrere andere GPS-Empfänger zeichnen als Roverstationen Satellitensignale auf bekannten Anschlusspunkten oder Neupunkten auf, so dass sich eine sternförmige Messanordnung aus Basislinien ergibt.

Auf diese Art und Weise erhalten alle mit GPS-vermessenen Anschluss- und Neupunkte dreidimensionale, auf das WGS 84-Koordinatensystem (World Geodetic System 84) bezogene, geozentrische Koordinaten. Die absolute Genauigkeit des vermessenen Punkteblocks im System WGS 84 liegt zwar im Meterbereich, die innere Genauigkeit, d.h. die Genauigkeit der vermessenen Punkte zueinander, beträgt je nach Messmethode wenige Millimeter bis Zentimeter. Über die bekannten Anschlusspunkte können die mit GPS vermessenen Neupunkte in das amtliche Koordinatensystem oder jedes andere Zielsystem transformiert werden.

 

Das dem GPS zugrunde liegende WGS 84-Koordinatensystem hat seinen Ursprung im Geozentrum des Erdkörpers und wird durch drei Koordinatenachsen beschrieben. Die X-Achse und Y-Achse liegen in der Äquatorebene, wobei die X-Achse den 0°-Meridian (Greenwich-Meridian) durchstößt. Die Y-Achse steht senkrecht zur X-Achse. Die Z-Achse verläuft mit der Rotationsachse der Erde und durchstößt den Erdkörper im geographischen Nordpol.

Dieses Koordinatensystem ist ständigen Veränderungen unterworfen, so wie auch der Erdkörper ständigen Veränderungen unterworfen ist. Die Gründe für diese Dynamik liegen zum einen im Erdaufbau selber begründet. Durch tektonische Veränderungen innerhalb des Erdkörpers (z.B. durch Kontinentalbewegungen), verändert sich die Masseverteilung der Erde und damit auch ihr Rotationsverhalten. Zum anderen ist die Erde starken kosmischen Einflüssen ausgesetzt (z.B. starken Anziehungskräften der Gestirne), die sich auf die Erdfigur und deren Rotation auswirken. Daher „wandert“ der geographische Nordpol und die Äquatorebene mit den Veränderungen des Erdkörpers. Somit ändert sich auch das auf den Erdkörper bezogene WGS 84-Koordinatensystem ständig. Monitorstationen, welche über den gesamten Erdball verteilt Satellitensignale auswerten, können diese Veränderungen feststellen und das WGS 84-System und die auf diesem System basierenden Satellitenbahndaten ständig neu definieren. Weiterhin wird auch die GPS-Systemzeit aus den Beobachtungen der Monitorstationen abgeleitet.

 

Die Auswertung der GPS-Beobachtungen erfolgte bis Ende der 90er Jahre ausschließlich im Innendienst. Diese Methode wird auch als „Postprocessing-GPS“ bezeichnet, da die Auswertung und Koordinatenberechnung erst nach Abschluss der GPS-Beobachtung stattfindet. Seit Ende der 90er Jahre wurden GPS-Empfänger entwickelt, die mit Hilfe einer Funkverbindung zwischen der Referenzstation und dem Rover Korrekturdaten direkt austauschen können. Das Ergebnis der Vermessung, d.h. die Punktkoordinate des Neupunktes, wird in Echtzeit im Felde angezeigt. Diese Methode heißt „Realtime-GPS.“

 

Das Prinzip des Realtime-GPS macht sich der SAPOS-Dienst (Satellitenpositionierungsdienst) der deutschen Landesvermessung zu Nutze. Flächendeckend in ganz NRW wurden SAPOS-Referenzstationen auf öffentlichen Gebäuden errichtet, die 24 Stunden am Tag Satellitensignale aufzeichnen und an eine Zentrale in Bonn (Geobasis NRW) im Onlineverfahren übermitteln. SAPOS-Nutzer können sich per Mobiltelefon (GSM) oder per Internet (N-Trip) auf den SAPOS-Datenserver einloggen und Korrekturdaten, bezogen auf eine Vernetzung der Referenzstationen, in Echtzeit erhalten. Daher muss ein Vermesser keine eigene Referenzstation mehr betreiben , sondern kann auf die Korrekturdaten des SAPOS-Dienstes zurückgreifen.

Neben dem amerikanischen GPS-System betreibt Russland ein ähnliches Satellitensystem mit dem Namen "GLONASS." Moderne Satellitenantennen und -empfänger können die Signale beider System empfangen und auswerten. Der Satellitenpositionierungsdienst SAPOS hat seine Korrekturdaten ebenfalls um das GLONASS-System erweitert, so dass SAPOS-Nutzer über N-Trip auch das GLONASS-System nutzen können.

Eine Kombination von GPS und GLONASS wird als "GNSS" bezeichnet.

 

Musste man früher zur Koordinierung der Neupunkte im Gauss-Krüger-System das durch Satellitenvermessung bestimmte Netz noch über Passpunkte nach Gauss-Krüger transformieren,  entfällt dieser Rechenschritt heute im amtlichen System ETRS89/UTM und bei Nutzung des SAPOS-Dienstes. Der SAPOS-Dienst wird im amtlichen System ETRS 89/UTM betrieben, so dass der SAPOS-Nutzer direkt Echtzeitkoordinaten in seinem Zielsysten ETRS 89/UTM erhält.

 

 

 

Neben der GNSS-Vermessung gibt es noch weitere satellitengeodätische Messverfahren, die jedoch für die Vermessungspraxis keine Rolle spielen. Darunter fallen Verfahren wie das Satellite Laser Ranging, Satelliten Dopplermessungen und Satellite to Satellite Tracking.



 

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